Andreas Knittel: ONK, Open-Dutch-Championship, ZV Belterwiede, 01. - 03.09.2023

 

Lange waren Martl und ich unschlüssig, ob wir nach der diesjährigen Deutschen Meisterschaft in Kirchmöser heuer auch noch an der 3-tägigen Holländischen teilnehmen sollen. Reisestrapazen mit Ranglistenfaktor 1,45 gegengerechnet und – Dank des Doppelstockhängers der Klassenvereinigung -durch 2 geteilt ergab kurz vor Meldeschluss: Ja!

 

Martl organisierte auf die Schnelle ein Hotel und Matthias Jocham erkannte im Zuge der Anfrage, ob der Trailer für das verlängerte Wochenende zu Verfügung steht, reflexartig die Chance, dass so Stefan de Vries‘ „neues Boot“ (Anmerkung: Vitus Bachers ehemalige AUT 100) „geliefert“ werden kann … vorausgesetzt der Knitti segelt die ONK-Regatta mit diesem Schiff.

 

Mittwochabend Martls Boot beim Wiat z‘ Mitterhof umladen und donnerstags Abfahrt um halb acht. Fast 13 Stunden danach Ankunft im „Waterpark Beulake Haven“.

 

Dazwischen zahlreiche Staus mitgebildet, noch mehr auf der Gegenfahrbahn gesehen, ein paar Mal pinkeln sowie einiges an Zeit verbraten, als wir beim elektronisch verwalteten Hotel in Giethoorn, keine 2 Kilometer vom Regattacenter entfernt, mit dem erhaltenen Code unseren Zimmerschlüssel aus dem Safe neben dem Terminal „frei“ bekommen wollten. Trotz Brillen, Englisch Kenntnis und zahlreicher Versuche bedurfte es eines Anrufs bei der Rezeptions-Hot-Line, um zu erfahren, dass die Schlüssel, die wir sehen, jene für die Leihfahrräder sind. Unsere 4 Zahlen müssen direkt am Türbeschlag in der korrekten Reihenfolge gedrückt werden. Ahhh …

 

… und geschafft! Zurück zu den Booten, diese in der Dämmerung abladen, die Deutschen Freunde, die zum Rauchen vor das Hafenrestaurant mussten, begrüßen, Maste stellen und bei der nächsten Rauchpause erfahren, dass die Küche bereits geschlossen ist. Auch kein Problem: das, was wir zu uns nehmen woll(t)en, können wir trinken auch.

 

Ein paar Bier und viel Blödeln später, zurück ins Hotel, Code gemerkt (und am richtigen Ort eingegeben), auspacken, hinlegen, schlafen. Der eine schneller und lauter, der andere nicht ganz so schnell. „‘tschuldige Martl!“

 

Freitag, den 1. September 2023, um 11:00 „Öffnung ONK en anschließend Palaver“ stand im Programm. Zuvor, von 09:00 bis 10:00, mussten aber noch Vermessung und Registrierung absolviert werden. Besonderes Augenmerk legten die Offiziellen auf das Zusammenpassen von der Nut des Großbaums und der Länge des Unterlieks des Segels. Martl war „begeistert“ und als er bereits erbost sein North zusammenrollte, weil seine Definition der beiden Parameter kein Gehör fand, kam ein Holländischer Segelmacher mit dem „So-Schaffst-Du-Auch-Diese-Akademische-Hürde-Tool“ in Form von ein paar Quadratzentimeter Segeltuch, die den zurückgeschnittenen Hals des Segels auffüllen. Er hatte sie bereits mehrfach vorbereitet und nicht nur Martl damit geholfen.

 

Vermessung geschafft und ab zur Anmeldung, wo auch die Veranstaltungspoloshirts ausgegeben wurden. Erinnert an Obelix‘ Frage in „Asterix als Legionär“ - „Seid Ihr sicher, dass, das Mittel ist“ – nahm ich mein Leiberl entgegen. Was hätte ich als Junger darum gegeben, dass XL viel zu eng ist?

Positiv betrachtet: In der O-Jollen-Klasse werden Bubenträume wahr!

 

Kurz darauf „Öffnung“ und „Palaver“. Was wie aus einem Indianerfilm klingt, war/ist das tägliche Briefing vor den Wettfahrten. Wild-West-Romantik kam dabei – Dank dem Duft von Thies Bosch‘ „Friedenszigarren“ - tatsächlich auf.

 

Viel Wind war an diesem ersten Regattatag nicht zu erwarten; auch die Prognose für die nächsten zwei war wenig erfreulich. Genau deshalb wurde gleich ausgelaufen.

 

Ein wirklich netter See, umgeben von viel Natur(schutz) und voller seegrasartigen Schlingpflanzen, die - sehr zum Leidwesen aller - perfekt um Schwerter und Ruderblätter passten.

 

1. Start(versuch) mit „P“, der zweite gelang Dank „Black Flagg“. Mühsames Leicht(est)windsegeln gepaart mit Schwert- und Rudersäuberungsaktionen. Die bekannt Guten waren vorn und damit alles so weit in Ordnung.

 

Gleich anschließend der Start zur 2. Wettfahrt - wieder durch die schwarze Flagge ermöglicht – aber noch weniger Wind … dafür aus drei verschiedenen Richtungen.

Bis zum Luv-Gate (bei größeren Feldern zur Nachahmung empfohlen!) war noch Bewegung bei allen 72 Booten zu erkennen. Bergab nicht mehr immer bei allen. Zur Überraschung der Führenden wurde beim Lee-Gate nicht abgeschossen. Noch mehr wunderten sie sich, als sie sich Mitte der 2. Würgekreuz in der Mitte des Feldes wiederfanden. Auch das war nicht Grund genug, das Gemetzel zu beenden; allerdings wurde nach der zweiten Vorwind abgekürzt. Das Ergebnis spiegelte die Bedingungen wider.

 

Martl fuhr dann beim Startschiff vorbei und fragte den Wettfahrtleiter, ob er für so ein Race über 1000 Kilometer weit fahren würde. Bis auf den Angesprochenen lachten alle am Boot.

 

Nach kurzem Warten, ob sich der Windgott doch noch erbarmt, wurde der Abendhauch (aus einer neuen 4. Richtung) genutzt, um selbstständig in den Hafen zu segeln.

 

Der mit Abstand beste Grillabend der Saison versöhnte zumindest den Magen. Die Gedanken und Gespräche kreisten immer noch um Nuten, Lieken und Windlotterie. Da half auch der ungezügelte Einsatz der zahlreichen Happy-Hour-Bier-Jetons nicht wirklich. Geschlafen haben wir dann aber gut …

zumindest ich.

 

Samstag Früh: Palaver, warten auf Wind, mittags auslaufen, Start – eh klar: wieder „black“ – trotzdem „Allgemeiner Rückruf“. Die letzten Böen brachte uns zum Startschiff, wo die Liste der Frühstarter ausgehängt wurde. Interessant zu beobachten: es gab kaum jemanden, der sicher war, hinter der Linie gewesen zu sein. Österreicher waren keine aufgeschrieben!

 

Der Wind verabschiedete sich endgültig und einige trieben Richtung Hafen, andere wurden reingeschleppt. Das Warten begann und kein Hauch erbarmte sich.

 

Halb fünf hieß es plötzlich „Palaver“! Einheimische vermuteten, dass versucht wird, mit dem Abendlüfterl zu segeln. Die Wettfahrtleitung kam, es wurde gehupt und „Startverschiebung über A“ gezeigt. Heute also doch nicht mehr segeln.

Wie zum Hohn sprang ein paar Minuten später der Wind an. 1 bis 2 Beaufort konstant aus einer Richtung und das bis zum Dunkelwerden. Sch…..!

 

Als Trostpflaster wurden die weitest angereisten Teilnehmer mit Käselaiben versorgt. Doppelsieg für Österreich! Anschließend superfeines Essen im Hafenrestaurant, Bier reichlich und relativ bald ins Bett, denn Sonntag um 8 Uhr 30 ist wieder Palaver.

 

„Keine Aussicht auf Wind“, hieß es da und „Siegerehrung“ um 10. Okay, also zusammenpacken, Doppeltrailer nur halb beladen (die Plastik-Bergner blieb ja bei Stefan), verabschieden und einladen zu den Österreichischen Meisterschaften nächstes und übernächstes Jahr. Die Aussicht auf „sicher nicht viel weniger Wind als hier“, ließ die meisten schmunzeln und – viel wichtiger – zusagen.

 

Um Punkt halb elf Uhr Vormittag verließen wir den Club. Die ersten eineinhalb Stunden durch Holland bewegte sich nicht ein Windrad und auch in Deutschland keines. Erst ab Nürnberg war zaghaftes Rotieren einiger zu erkennen.

 

Nach exakt 11 Stunden 50 – inklusive zweier Tankstopps, einer davon dauerte - Dank „Ehrenrunde“ – etwas länger - waren wir wieder beim Mitterhof, luden Martls O-Jolle auf seinen Hänger, schlugen die Biereinladung vom Wirt aus und machten uns auf den Heimweg. Ich die 600 Meter per Rad und der arme Martl klemmte sich weitere 300 Kilometer hinter das Lenkrad. Gott sei Dank kam auch er wohlbehalten nach Hause!

 

Wie sagte „Misses Columbo“ als ich Ihr Montag früh die Kurzfassung unseres Hollandabenteuers erzählte so treffend? „Es zwingt Euch niemand!“

 

 

Andreas Knittel, AUT 104

Mattsee am 10. September 2023